Brillen gedruckt mit Maschinen von Stratasys im additiven Verfahren

3D-Druck, industrieller 3D-Druck, Additive Fertigung – welcher Ausdruck ist denn nun der richtige? Oder kann man inzwischen zwischen 3D-Druckverfahren, industriellem 3D-Druck und Additiver Fertigung unterscheiden? Auch auf der Hannover-Messe, der größten Industriemesse der Welt, gab es die unterschiedlichsten Definitionen


Von Sabine Slaughter

Das es sich bei industriellem 3D-Druck und Additiver Fertigung um Prozesse handelt, scheint noch einleuchtend, doch je nach Hersteller oder Verband, Organisation ist man sich uneinig, wo denn nun die Grenzen zu ziehen sind – etwa bei der Wiederholbarkeit eines Fertigungsprozesses; oder bei der Möglichkeit auch die Menge eins eines Produktes zu produzieren; oder bei der Möglichkeit möglichst viele Varianten eines Produktes zu erstellen; oder etwa bei der Möglichkeit durch Algorithmen errechnete Bauteile mittels additiver Fertigung gewichtsmäßig leichter, jedoch gleichzeitig stabiler zu machen. Egal welcher Definition man hier folgt, die Ergebnisse sind inzwischen atemberaubend, wobei inzwischen mit (fast) allen Materialien gedruckt bzw. gefertigt werden kann.
Fortus900 – ein Modell, drei verschiedene Varianten – von Stratasys
Der Branchenführer im Bereich der additiven Fertigung brachte die neue F900 mit nach Hannover. Diese kann das karbonfaserverstärkte Nylon 12 verarbeiten und offeriert dem Anwender eine hohe Reproduzierbarkeit und Genauigkeit. Rapid Tooling, Werkzeughifsmittel, Bauteilherstellung und Montagevorrichtungen sind nur einige Anwendungen. Die F900 ist in drei Varianten erhältlich, wobei eine für Flugzeuginneneinrichtungen ausgelegt wurde. Das entsprechende Zertifikat (AICS) wurde der Maschine bereits verliehen womit die erforderliche Leistung und Rückverfolgbarkeit bestätigt wurde. Einige Fluglinien wenden die Maschine bereits für ihre Kabineninnenausstattung an.
Die Variante F900 Pro verwendet Ultem 9085 zur Herstellung von Bauteilen mit höchster FDM-Reproduzierbarkeit und Leistung wobei die Anwendungsmöglichkeiten der AICS-Variante auf andere Branchen ausgedehnt werden.
Einstieg in den Software-Markt
Immer wichtiger wird die Software, mit welcher die zu druckenden Teile generiert werden. Stratasys ist jetzt in diesen Bereich eingestiegen und sucht Beta-Kunden für eine neue Software, die speziell zur Verbesserung der Stratasys Additiven Manufacturin-Lösung zur Herstellung von Werkzeughilfen und Montagevorrichtungen und anderen Fertigungswerkzeugen konzipiert wurde. Verschiedene komplexe und zeitaufwändige Bearbeitungsschritte werden automatisiert ausgeführt, so dass mit Grab CAD Print sowohl der Planungsprozess, wie auch eine Vereinfachung der Anwendung erreichen werden können, was wiederum unter anderem Zeit und Geld spart.
Schiffsschraube konzipiert mit Software von AutodeskEs ist durchaus vorstellbar, dass in einigen Jahren, Softwarelösungen mit KI, die der Industrie 4.0 einen großen Schub geben werden, angewendet werden. KI, also Künstliche Intelligenz, einzusetzen, um Produkte haltbarer, leistungsfähiger und reproduzierbarer zu machen, ist ein umfassendes, herausforderndes Thema. Während früher das Design vom Designer vorgegeben und mit entsprechenden Statiken, Werten etc. zu einem Produkt zusammengeführt wurde, könnte KI diesen Prozess grundlegend (R)evolutionieren. Man stelle sich eine Software vor, die beispielsweise nur noch mit den entsprechenden Aufgabenbereichen, Statiken, Werten, etc. gefüttert wird, und die dann selbständig Vorschläge für das Aussehen, die Form etc. des Produktes entwickelt. Der Anwender muss dann nur noch das Design auswählen, welches ihm am besten gefällt.
Individualisierte Massenfertigung
Autodesk, Branchenführer im Software-Bereich, setzt auf generatives Design. Nach mehreren Jahren der Vorbereitung hat der Additive Fertigungsprozess für Schiffsschrauben mit Metall seine Zulassung erhalten. In einem niederländischen Hafen werden die Ersatzteile für Schiffe inzwischen gedruckt.
Ein weiteres Beispiel ist das österreichische Unternehmen My Esel. Das Unternehmen hat einen Web-Konfigurator entwickelt, der die Rahmenabmessungen und weitere Einzelheiten von Fahrrädern genau auf die Körperproportionen des Nutzers und den Fahrstil anpasst. In gemeinsamer Entwicklung mit Experten für Fahrrad-Ergonomie des Orthopädischen Spitals in Wien-Speising wurde der Algorithmus entwickelt, der für eine orthopädisch perfekte Sitzposition sowie optimale Kraftübertragung auf dem individuell angepassten Rad sorgt. Als Material wurde Holz ausgewählt. Nachdem nun ein Kunde sein Fahrrad mit dem Web-Konfgurator, wobei unterschiedliche Hölzer, Brandings, etc., so auch E-Bike-Versionen, zur Verfügung stehen generiert hat findet eine automatische 3D-Aufbereitung der Daten mittels Autodesk Inventor statt. Die Informationen der einzelnen Fahrradteile dienen als Grundlage der Produktionsdaten und werden mit einem eigens geschriebenen Code in CAM-Daten umgewandelt. Der Produzent der Teile erhält die jeweiligen Datensätze und beginnt mit der Herstellung per CNC-Fräse. Die Montage der Räder erfolgt in Linz. Die Autodesk-Software sorgt hierbei für äußerste Präzision und Kosteneinsparungen, da solche individualisierten Räder bisher fast nur im Profi-Sportbereich zu sehr hohen Kosten und in Handarbeit gefertigt wurden.
Motorblock gedruckt mit einem EOS-DruckerEin weiteres Beispiel ist die Herstellung von Airbus-Sitzgestellen. Hier wird mittels der Autodesk-Software und 3D-Druck eine Druckform gedruckt, die anschließend im Metallgussverfahren ausgefüllt wird. Genauer beschrieben, wird erst eine Kunststoffform gedruckt, diese dann mit Keramik überzogen, bevor die Kunststoffform weggeschmolzen wird und mit flüssigem Magnesium ausgefüllt. Das generativ erzeugte Gittermuster des Sitzgestells, das als fertiges Produkt äußerst präzise im Submillimeterbereich liegt, und die verwendeten Materialien sorgen dafür, dass das Unternehmen je Flugzeug bis zu 550 g Gewicht einspart, was sich in jährlichen Treibstoffkosteneinsparungen von 100.000 US$ je Flugzeug niederschlägt. Zudem sorgt dieser Fertigungsprozess für Zeitersparnis, da das beschriebene Verfahren die Herstellung in zwei Tagen ermöglicht.
Additive Fertigung mit Metallen
Hier sticht das Unternehmen EOS hervor, welches bereits seit Jahren mit seinen Additiven Fertigungsdruckern Metall drucken kann. Auf der Hannover-Messe lag das Augenmerk zudem auf der Polymer-Technologie sowie Software- und Monitoring-Lösungen. Anhand von Beispielen zeigt das Unternehmen auf, wie im Zusammenspiel mit Industrie 4.0 die vollständige digitale Produktion verwirklicht werden kann und damit der gesamte Konstruktions-, Herstellungs- und Lieferprozess verändert wird. Ausstellungstücke waren unter anderem Brennerköpfe für Gasturbinen bei Siemens, Hydraulikkomponenten für Linienflugzeuge oder Prothesen für beinamputierte Menschen.
Armschiene, gedruckt auf dem neuen vollfarbigen HP Multi JetVollfarbiger Druck
HP präsentierte seine neuen 3D-Drucker für industrielle Anwendungen, so auch den HP JetFusion 500. Dieser kann vollfarbig funktionelle Prototypen erstellen und verwendet die HP Multi Jet Fusion Drucktechnologie. Das Unternehmen arbeitet mit Firmen unterschiedlichster Branchen, Universitäten und Krankenhäusern zusammen, um neue Materialien und Anwendungen zu entwickeln.
Multimaterialdruck mit Keramik
Forscher der Universität Chemnitz stellten vollständig im 3D-Druckverfahren hergestellte Elektromotoren vor. Das bisher einzigartige Druckverfahren ermöglicht die Realisierung von beliebigen Motorengeometrien. Noch interessanter ist hier jedoch, dass Keramik als Isolationswerkstoff verwendet und damit auch gedruckt wird. Zudem wird 3D-Multimaterialdruck eingesetzt, welcher es ermöglicht die drei Hauptkomponenten jeder elektrischen Maschine in einem Produkt zu drucken: Leiterwerkstoffe (so beispielsweise Kupfer oder Aluminium), Magnetkreiswerkstoffe (z. B. eisenhaltige Legierungen) und Isolationswerkstoffe (beispielsweise Keramik oder polymerbasierte Isolationsmaterialien). Die Verwendung von Keramik sorgt für höhere Wärmebeständigkeit und –leitfähigkeit. Anwendungsmöglichkeiten für diese Additive Fertigungstechnologie sind nicht nur Motoren unterschiedlichster Art, sondern auch beispielsweise Wärmetauscher und andere funktionale Produkte, welche im Betrieb höhere Temperaturen aushalten müssen.
Rasches Wachstum
Alles in allem genommen, zeigte das 3D- oder Additive Fertigungsangebot auf der Hannover-Messe die Vielfältigkeit dieses Herstellungsprozesses auf und dass im Zusammenspiel mit Industrie 4.0 die digitale Fertigung bereits eine Daseinsberechtigung hat. Wenn diese Technologie auch noch in den Kinderschuhen steckt, so wird ihr bereits für 2023 ein Marktvolumen von 35,10 Milliarden US$ vorhergesagt, wobei allein der Luftfahrtbereich einen CAGR von 21% yoy aufweisen soll. Die Entwicklung in diesem Markt steigt rasch, wobei dabei immer auch das Umfeld in Betracht gezogen werden muss. Genau wie beim Digitaldruck gilt auch hier: Nur eine digitale, vernetzte Umgebung kann optimale Produktionsvoraussetzungen für das Additive Manufacturing bieten, mit dem sich Komfort, Handhabung und Einsparungen realisieren lassen.

 


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