Schutzbekleidung von potentiell gefährdeten Berufsgruppen wie Polizei oder Sicherheitsunternehmen optimieren – das ist das Ziel des Forschungsprojekts „StereoTex“ der FH Bielefeld. In dem Projekt entwickeln Forschende zurzeit ein Verfahren, das es ermöglicht, stichhemmende Schutzkleidung aus einer Kombination aus Textilien und Kunstharzen herzustellen.
Ein knapp 25 Zentimeter hoher, durchsichtiger Kasten mit orange getönten Scheiben und einem kleinen schwarzen Becken mit Glasboden: Was im ersten Augenblick eher unscheinbar anmutet, ist ein komplexer 3D-Drucker mit modernster Technik im Labor für Textile Technologien der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Das wahrhaftig Spektakuläre ist jedoch das, was sich in seinem Inneren abspielt: Ein bisher weltweit einzigartiges, innovatives Verfahren zur Kombination von Textil und Kunstharzen.
Weltweit einmaliges Forschungsprojekt
„Nach unseren Literaturrecherchen sind wir weltweit das erste Wissenschaftsteam, das sich mit der Kombination von 3D-Druck nach dem stereolithografischen Fertigungsverfahren und Textilien beschäftigt.“ Timo Grothe, Projektleiter von StereoTex
Entwickelt wird dieses Verfahren zurzeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der FH Bielefeld im Rahmen des Forschungsprojekts „StereoTex“. Das Projekt vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik nutzt als Grundlage für seine Forschung das sogenannte stereolithografische 3D-Druckverfahren (SLA) – ein Verfahren, bei dem 3D-Objekte aus Harz modelliert werden. Den Ausgangspunkt bildet flüssiges Kunstharz, das in ein Becken gefüllt und mithilfe einer Lichtquelle, wie Laser oder UV-Licht, schichtweise in die gewünschten 3D-Objekte ausgehärtet wird – eine bekannte und häufig angewendete Technik im Sektor des 3D-Drucks. Das Besondere an dem Verfahren des FH-Projektes? Die 3D-Objekte werden unmittelbar auf Textilien gedruckt, die mit einer selbstentwickelten Halterung am Druckbett fixiert werden. Dabei handelt es sich um einen bis dato einmaligen Vorgang, wie Timo Grothe, Projektleiter von StereoTex, erzählt: „Nach unseren Literaturrecherchen sind wir weltweit das erste Wissenschaftsteam, das sich mit der Kombination von 3D-Druck nach dem stereolithografischen Fertigungsverfahren und Textilien beschäftigt – die Kombination aus Harz und Textil wurde zuvor noch nie untersucht.“
Konkretes Anwendungsszenario vorhanden
Das StereoTex-Team arbeitet dabei auf ein ganz bestimmtes Anwendungsszenario ihrer Forschung hin: Ziel ist die Entwicklung von individuell anpassbaren Harz-Textil-Verbundstoffen, die eine stich- und schnitthemmende Wirkung aufweisen. „Ganz konkret heißt das, dass wir mithilfe der Harz-Textil-Komposite Schutzkleidung für zum Beispiel potentiell gefährdete Berufsgruppen wie die Polizei, Sicherheitsunternehmen oder Bus- und Taxifahrer herstellen wollen“, verrät Grothe. Besonders wichtig ist ihm dabei, dass die Verbundstoffe atmungsaktiv sind und eine Langzeitstabilität von mindestens zehn Jahren aufweisen. „Vor allem bei Schutzausrüstung, die mehrere Stunden am Tag sehr nah am Körper getragen werden muss, ist es notwendig, dass sie leicht und bequem ist, und trotzdem einen guten sowie langfristigen Schutz bietet.“
Entwicklung eines porösen, druckbaren Harzes steht im Fokus
Doch wie können all diese Anforderungen in der Realität umgesetzt werden? Dreh- und Angelpunkt ist die Beschaffenheit des Harzes, mit dem die verschiedenen Textilien bedruckt werden. Timo Grothe erklärt: „Da die auf dem Markt erhältlichen Kunstharze nicht für unser neuartiges Verfahren optimiert sind, arbeiten wir mit einem Unternehmen für Gießharzsysteme, der ALWA GmbH, zusammen, um gemeinsam ein innovatives, poröses Harz zu entwickeln, das sich ohne Probleme auf Textilien drucken lässt und zugleich luft- und wasserdurchlässig ist.“ Dieses Harz existiert bisher nur als Gießharz und soll im nächsten Schritt als druckbares Harz weiterentwickelt werden.
Erste Ergebnisse sind vielversprechend
Zwar steht das Projekt noch am Anfang, kann aber bereits erste Teilerfolge vorweisen, wie Elise Diestelhorst, wissenschaftliche Mitarbeiterin von StereoTex, aufzeigt: „Um herauszufinden, welche Textilien sich für das Anwendungsszenario am besten eignen, haben wir verschiedene Textilien mit handelsüblichem UV-Harz bedruckt. Momentan untersuchen wir, welche Textileigenschaften für eine Haftung des Harzes ebenso wie in der Langzeitperformance als Textil-Harz-Verbundstoff am besten geeignet sind. Dabei haben wir auch verschiedene Formen und Größen von 3D-Objekten auf den Textilien getestet – kleinere und größere Zylinder sowie auch längliche viereckige Strukturen, die sich wie Dachziegel überlappen und nach dem Vorbild historischer Rüstungen und Panzer aus dem Tierreich entworfen wurden.“ Mit Erfolg: „Zurzeit arbeiten wir an der Veröffentlichung unserer ersten Forschungsergebnisse, aufbauend auf der weltweit ersten Veröffentlichung unserer Arbeitsgruppe zu dem Thema. So viel können wir schon mal verraten: Es funktioniert!“, ergänzt Timo Grothe und schmunzelt.
Hybrider Drucker soll die Arbeit erleichtern
Im nächsten Schritt wollen die Bielefelder Expertinnen und Experten einen hybriden 3D-Drucker entwickeln, der analog zum SLA-Verfahren flüssiges Kunstharz sowie UV-Licht zum Aushärten nutzt, aber das Kunstharz vergleichbar mit der sogenannten „Fused Deposition Modeling“ (FDM) Technologie auf das Textil appliziert – eine der am weitesten verbreiteten 3D-Drucktechnologie weltweit. Dabei wird normalerweise geschmolzener Kunststoff mithilfe eines Druckkopfs Schicht für Schicht in der gewünschten Form auf eine Werkplattform aufgetragen, wo er abkühlt und aushärtet – fertig ist das 3D-Objekt. „Übertragen auf StereoTex ist es unser Ziel, dass flüssiges Harz wie bei FDM-Druckern von oben millimetergenau auf das darunterliegende Textil aufgetragen und dabei gleichzeitig durch eine UV-Quelle direkt ausgehärtet wird“, so Diestelhorst. Dies hätte einen entscheidenden Vorteil: „Die Textilien müssten nicht mehr in einem Becken mit flüssigem Harz platziert werden, das heißt der aufwändige Arbeitsschritt, das überschüssige, nicht ausgehärtete Harz aus dem Stoff zu entfernen, würde entfallen. Außerdem könnten Materialien gespart und die Umwelt geschont werden.“
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