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3D-Druck könnte und wird auch irgendwann eine ganze Branche umkrempeln, herkömmliche Gewerke erhalten neue Bedeutung, bisher geltende Standards werden in Frage gestellt, neue Baustoffe erforscht, Regularien müssen neu festgelegt werden, wobei insbesondere im Bereich Architektur Nachhaltigkeit, Design und Vielfältigkeit bei reduzierten Kosten den Markt „auf den Kopf stellen“ werden.


Von Sabine Slaughter
3D-Druck und Architektur fangen an sich gegenseitig zu finden und Symbiosen zu bilden. Was im Kleinen, beim Prototyping von Gebäudemodellen möglich ist, wird zukünftig auch im Großen, also beim Bau oder besser gesagt beim Druck von Häusern, Brücken, und vielen anderen Architekturprojekten Realität werden.
Fast jeder hat schon einmal von 3D-gedruckten Architekturprojekten gehört: Sei es eine Brücke in Spanien für Fußgänger und Fahrräder, das Kanalhaus in Amsterdam, das Möbius-Haus (so benannt nach seiner Form einer Endlosschleife, welche auch Möbiusband genannt wird), eine Kaserne für die US-Armee oder auch ein Haus mit vier Schlafzimmern für eine französische Familie. Diese Beispiele stehen stellvertretend für viele Projekte, über die in unterschiedlichsten Medien berichtet wird, welche den Einzug des 3D-Drucks in die Baubranche untermauern. Ihre Architektur und das Design werden zumeist erst durch den Einsatz der 3D-Technologie möglich, wobei die Kostenfaktoren sowie der Zeitaufwand für den Druck signifikant unter denen der bisherigen Baumethoden liegen.
Theorie und Praxis
Die 3D-Druck-Technologie im Bereich Architektur ist inzwischen so weit, dass theoretisch neben den Wänden auch Fenster und Glas sowie Türen „in einem Arbeitsgang“ gedruckt werden könnten – inklusive der Rohrleitungen, Kabelkanäle, Sanitäreinrichtungen etc. Ein so gedrucktes Haus könnte bis auf die Tapeten sowie die Möbel bereits einzugsfertig erstellt werden. Natürlich ließen sich, wenn gewünscht, auch bereits Möbel und Fußbodenbeläge drucken. Und das alles individuell – ganz nach den Wünschen und Vorstellungen der zukünftigen Nutzer. Aber das ist derzeit nur Theorie, da für die Praxis erst noch die verschiedensten Bedingungen erfüllt werden müssen.
Herausforderungen
Natürlich fragt sich jetzt jeder Leser, wenn 3D-gedruckte Häuser bereits Realität sind, warum sind diese, gerade weil sie niedrigere Baukosten haben, dann nicht für mich zu haben? Warum werden diese nicht zuhauf angeboten? Warum werden, gerade bei Katastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen, dann nicht 3D-gedruckte Unterkünfte vor Ort für die Betroffenen „einfach mal schnell gedruckt“? Theoretisch wäre dieses möglich, wenn der 3D-Druck von Architektur nicht noch in der Kinderkrippe läge.
Eine der größten Herausforderungen sind die Baumaterialien. Traditionell werden Häuser mit Stein, Holz, Zement, Beton, Mörtel, Lehm etc. gebaut. Im 3D-Druck ist dieses jedoch anders: „Jede flüssige Substanz, die sich bei Kälte verfestigt, könnte theoretisch zum Bau eines Hauses verwendet werden“, erklärt Paul Tinari, CEO von Capra Megalodon 3D Concrete, zu diesem Thema. Damit wäre es auch möglich ein Haus aus Schokolade oder auch Keksteig zu bauen.
Dieses stellt auch schon das Grundproblem dar vor dem Architekten, aber auch staatliche Stellen stehen: Welche Materialien sind geeignet für den 3D-Druck eines Hauses? Wie sieht es mit der Statik aus? Müssen im geplanten 3D-Druckgebiet eventuell weitere Vorschriften wie etwa Erdbebensicherheit beachtet werden? Wie sind die Energiewerte? Wie verhält sich das Baumaterial bei unterschiedlichen Witterungen? Wie steht es mit der Nachhaltigkeit?
Neue Regularien
Die bisherigen Daten und Statiken beziehen sich auf traditionelle Bauweise. Viele Regionen dieser Erde haben aus der Historie heraus, unterschiedliche Techniken und Baumaterialien verwendet oder in Verwendung. Diese richten sich nicht nur nach den Bedürfnissen der Bewohner oder den Anforderungen des Unternehmens, des Verkehrs, sondern auch den klimatischen Bedingungen.
Beim 3D-Druck werden die Baumaterialien jedoch durch eine oder mehrere wenn auch große Inkjet-Düsen Schicht für Schicht aufgetragen. Das Material besteht nicht nur aus Zement, sondern aus vielen neu entwickelten Materialmischungen deren Eigenschaften zunächst einmal ge- und überprüft werden müssen. Da sich traditionelle Gewerke vermischen, müssen dementsprechend auch die Bauunternehmer beziehungsweise Fachleute und Gutachter über fachübergreifende Kenntnisse verfügen.
Dementsprechend müssen neue Regularien erstellt werden. Diese benötigen jedoch Zeit. Insbesondere die Materialprüfung wird mit der steigenden Anzahl an Materialmischungen längere Zeit in Anspruch nehmen. Auch die Statik muss bei 3D-gedruckten Objekten vollkommen neu berechnet werden. Es handelt sich ja nicht um Häuser, die Stein auf Stein erstellt wurden, oder deren Wände aus Zement bestehen – beim 3D-Druck wird oftmals auf eine Art Hohlraumbau mit Füllung gesetzt. Die Trocknung oder Aushärtung dieser Drucktechnologie muss untersucht werden. Dieser soll sogar eine bessere Statik als die bisherige, traditionelle Bauweise aufweisen. Doch wie gesagt, diese Verfahren, welche die Menschen, die dieses Bauwerk nutzen schützen sollen, benötigt Zeit.
Neben den unterschiedlichsten Materialmischungen etc. ist ein weiterer Faktor die „Bauweise“. Es gibt verschiedene Ansätze und Methoden wie beispielsweise Stereolithographie, feste oder auch erweiterbare Elemente in Bezug auf „Druckflächengröße“, und, und, und... All dieses und noch viel mehr spielt eine große Rolle bei der Beurteilung und Erstellung von neuen Bestimmungen welche den 3D-Druck von Bauobjekten je nach Region regulieren müssen. Um noch einmal auf ein theoretisch möglichen Schokoladenhaus zurückzukommen: Dieses würde eventuell in der Arktis oder Antarktis möglich sein, in den Tropen würde so ein Projekt bereits an den Temperaturen scheitern.
Kosten und Zeitfaktor
Alle bisher gedruckten Bauprojekte haben eines gemeinsam: Sie sind wesentlich kostengünstiger als die traditionelle Bauweise und benötigen auch weniger Zeit zur Erstellung. So waren beispielsweise die Kosten für ein gedrucktes Einfamlienhaus in Frankreich mit vier Schlafzimmern 20% niedriger als bei konventioneller Bauweise bei einem Zeitaufwand von 33 Stunden. Bei einem Bauprojekt mit vielen Naturmaterialien aus der Umgebung betrug der Kostenaufwand sogar weniger als 1.000 Euro – die Trocknung der Materialien benötigte jedoch etwas längere Zeit, so dass der Druck des Hauses 10 Tage dauerte. In Kanada sagt ein Unternehmen, dass es ein Haus mit vier Schlafzimmern bereits für 20.000 Dollar (umgerechnet ungefähr 13.500 Euro) drucken kann – wobei dieser Preis je nach Größe des Hauses nach oben steigt.
Gerade nach Katastrophen wie Erdbeben, Waldbränden, Überschwemmungen würde sich der schnelle und kostengünstige Bau von Häusern oder auch nur zeitweisen Unterkünften als eine wahre „Rettung“ erweisen und den Betroffenen eine Unterkunft welche Sicherheit bietet.
Nachhaltigkeit
Neben niedrigen Energiewerten sind auch umweltfreundliche Bauweise mit möglichst langlebigen Materialien deren Einfluss auf die Umwelt gering ist einer der wesentlichen Faktoren, die Nachhaltigkeit versprechen. Auch hier sind Unternehmen bemüht diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Weltweit sind Projekte im Gange, bei denen, je nach regionalen Ansprüchen, unterschiedlichste 3D-Drucker und Materialien getestet werden, um ein möglichst nachhaltiges Gebäude zu drucken.
Schlußgedanken
Bisher waren Häuser und Gebäude auch Anlageobjekte. Sie werden als eine Vorsorge für die Zukunft angesehen. Was passiert aber, wenn Häuser zu Preis eines Mittelklassewagens erhältlich sind? Werden diese weiterhin als „gute Anlage“ angesehen oder werden diese zu Gebrauchsgegenständen und Waren die man beliebig nach einiger Zeit austauscht, wie ein Auto?
Derzeit besteht ein Trend, dass Menschen in Städte ziehen. Das Bauland in diesen jedoch zumeist bereits jetzt nicht ausreichend ist und dementsprechend eine Wohnungsknappheit herrscht. Natürlich kann in die Höhe gebaut werden, doch sind die Probleme damit gelöst? Und was passiert wenn sich dieser Trend umgekehrt und wie in den 1970er Jahren und danach eine „Landflucht“ einsetzt? Werden auf den bisher freien Bauflächen sowie bestehenden bebauten Regionen Häuser gedruckt, eingerissen und neu gedruckt, je nachdem wie es die Besitzer der Grundstücke wünschen? Oder zieht man mit „seinem“ Haus um, indem man es an der einen Stelle abreißt, die Materialien recycelt, um dieses dann an anderer Stelle neu zu drucken? Die Antwort auf alle diese Fragen wird die Zukunft geben.
Zudem ist es interessant, wie die Bauindustrie auf diesen absoluten Bruch mit der Tradition reagiert, welche Kenntnisse und Fähigkeiten der Bauarbeiter der Zukunft haben muss und wie die Branche die Chancen und Möglichkeiten, die sich ihr bieten, bewältigt.

 


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