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Wie? Gedrucktes Essen? Das liegt doch ganz weit in der Zukunft, so weit ist die Industrie noch nicht...“ Doch - die Industrie ist sogar noch weiter. Gedruckte Steaks, Braten, aber auch Lachs und Thunfisch liegen bereits in den Supermarktregalen der verschiedensten Läden, auch hier in Österreich. Sie glauben das nicht? Lesen Sie hier, welche Produkte bereits aus pflanzlichen Rohstoffen additiv gefertigt werden. Von Sabine Slaughter

Die arme unschuldige Erbse, die seit kurzem durch die Fernsehwerbung hüpft, und so wütend werden kann, weil ihre Schwestern und Brüdern zu „Fake“-Wurst, Bratwürstchen und Steaks verarbeitet wurden, könnte sich auch über Druck aufregen. 3D-Druck um es genau zu sagen, denn es gibt jede Menge pflanzenbasierte Nahrung die additiv gefertigt wird und inzwischen teilweise bereits in Supermarktregalen zu finden ist.
Nachhaltige Lebensmittelproduktion ist in aller Munde. Vegetarier, Veganer oder Frutarier liegen im Trend. Der Januar wurde gar inzwischen teilweise zum Veganuar umbenannt und in den sozialen Medien wimmelt es von Propaganden der einen oder anderen Ernährungsart. Rezepte werden veröffentlicht, gefilmt, in den Himmel gelobt und es wird zum Nachkochen animiert. Eines haben diese drei Ernährungswissenschaften gemeinsam – sie sind nachhaltig und belasten das Klima weniger, da zumindest im Falle von Veganern und Frutariern auf tierische Bestandteile komplett verzichtet wird.
Doch was ist mit den „Normalessern“, den Fleisch- und Fischfans welche nicht auf ihre Lieblingsspeisen verzichten wollen? Auch diese können sich klimafreundlich und nachhaltig ernähren. Waren zunächst nur Burger, Wurst und anderes aus pflanzlichen Grundstoffen erhältlich, so gibt es jetzt bereits eine breite Auswahl von additiv gefertigten „Fake“-Steaks, Burgern, Braten aber auch Fisch. Bei jedem von uns könnte es also jetzt schon genauso aussehen wie in der oben angesprochenen Fernsehwerbung – ein Tisch voll mit vermeintlichen Fleischprodukten, die jedoch alle aus nachhaltigen, pflanzlichen Rohstoffen bestehen und aus dem Drucker kommen.
Steaks, Braten & Co.
Alt-Steak-Produkte nennt das israelische Unternehmen Redefine Meat welche mit einer zum Patent angemeldeten 3D-Drucktechnologie additiv gefertigt wurden. Diese sind in puncto Textur, Geschmack und Aussehen vergleichbar mit echten Rindersteaks. In Zusammenarbeit mit Metzgern, Küchenchefs, Lebensmitteltechnikern und dem Geschmacksexperten Givaudan hat Redefine Meat mehr als 70 sensorische Parameter in seinen Alt-Steak-Produkten digital abgebildet, wie u. a. Textur, Saftigkeit, Fettverteilung und Mundgefühl von Premium-Rindfleisch. Mit den von Redefine Meat entwickelten pflanzlichen Rezepturen „Alt-Muscle“, „Alt-Fat“ und „Alt-Blood“ werden die Alt-Steak-Produkte schichtweise in den 3D-Industriedruckern des Unternehmens für Lebensmittel hergestellt. Durch den Druck mit mehreren Inhaltsstoffen und Zutaten kann Redefine Meat nachhaltige, proteinreiche und cholesterinfreie Steaks erzeugen, die wie Rindfleisch aussehen und schmecken.
2019 erstmals vorgestellt, fand 2020 gemeinsam mit dem Fleischvertrieb Best Meister eine Blindverkostung von unterschiedlichsten mediterranen Fleischgerichten statt. Nichtsahnende Fleischesser fanden keine wahrnehmbaren Unterschiede zu tierischem Fleisch, die Akzeptanzrate übertraf 90 Prozent.
Nach dem erfolgreichen Experiment kündigte Redefine Meat eine strategische Partnerschaft mit Best Meister zur Vermarktung seiner Produkte ab dem ersten Halbjahr 2021 in Israel an.
„Seit der Unternehmensgründung haben wir an der Entwicklung einer leckeren und preislich erschwinglichen pflanzlichen Alternative zu Steaks gearbeitet, einem der am meisten geschätzten Lebensmittelerzeugnisse und dem Aushängeschild der gesamten Fleischindustrie“, so Eshchar Ben-Shitrit, CEO und Mitbegründer von Redefine Meat. „Wir wussten, dass die Entwicklung eines hochwertigen und nährstoffreichen fleischfreien Alternativprodukts neue Technologien und Produktionsverfahren erfordern würde, die es bislang noch nicht in der Lebensmittelindustrie gab. Nur wenn dieses Produkt der Qualität von echtem Fleisch in nichts nachsteht, könnte es die Akzeptanz auf dem Massenmarkt gewinnen.“
"Wir wollen die Überzeugung ändern, dass köstliches Fleisch nur von Tieren kommen kann, und wir haben alle Bausteine, um dies zu verwirklichen: hochwertige Fleischprodukte, strategische Partnerschaften mit Akteuren auf der ganzen Welt, eine groß angelegte Pilotlinie, die sich im Bau befindet, und die ersten industriellen 3D-Alt-Meat-Drucker, die noch in diesem Jahr bei Fleischhändlern zum Einsatz kommen sollen”, fasst Ben-Shitrit zusammen.
Schwein, Rind und Hähnchen
Pork 2.0 und Beef 2.0 sind Produkte des spanischen Unternehmens Nova Meat. Die Hauptbestandteile dieser beiden Produkte sind Erbsen und Reisproteinpaste. Er hätte versucht Rohmaterialien zu wählen, die die Umwelt nicht negativ beeinflussen, so Scionti. Avocados oder Quinoa würden zu einer verstärkten Nachfrage führen welche dann wiederum importiert werden müsse und damit negativ für das Klima und die Umwelt wären.
Auch an Hähnchenfleisch hat sich der Forscher Giuseppe Scionti in seiner Fabrik in Barcelona bereits versucht. Die Textur ist genau der Faktor, der bei synthetischem Fleisch am schwierigsten zu perfektionieren ist: „Es hat eine faserige Textur", erklärt der Unternehmer, "nicht wie die eines Hamburgers." Die Schwierigkeit liegt laut Scionti darin, die Nanofasern der Pflanzenproteine so umzuordnen, dass sie die Struktur der tierischen Proteine nachahmen. Durch die Gewinnung von Aminosäuren aus Erbsen- und Reisprotein hat das Filet zudem die ernährungsphysiologischen Eigenschaften eines Rinderfilets.
Im Moment kostet der Druck von 100 Gramm Pflanzenfleisch knapp drei Dollar, Scionti meint jedoch, dass wenn der Prozess industrialisiert wird und die Kommerzialisierung startet, der Preis mit steigender Produktionsmenge sinken wird. Ein Patent hat der Italiener auch bereits angemeldet – für den Mikrostrang, der die natürliche Struktur des Fleischgewebes imitiert.
Chicken Nuggets
KFC, die amerikanische Fast Food-Kette, hat bereits angekündigt, dass sie zukünftig auch Chicken Nuggets aus dem Drucker anbieten möchte. Als Testgebiet hat sich das Unternehmen Moskau in Russland auserkoren, da es dort mit einem Forschungslabor zusammenarbeitet. Die 3D-gedruckten Chicken Nuggets sollen nicht nur wie die „wirklichen“ aussehen, sondern auch so schmecken, erklärte KFC. Hier sollen die Hauptbestandteile pflanzlich sein, wobei allerdings auch Hühnerzellen mit verdruckt werden sollen.
Mettbällchen, Fleisch & Co.
Plant & Bean, Entwickler und Hersteller hochwertiger pflanzenbasierter Nahrungsmittelprodukte, hat die Eröffnung der europaweit größten Produktionsanlage für pflanzenbasiertes Fleisch in Großbritannien angekündigt. Das neue Werk wird eine effiziente Produktion und Distribution in ganz Europa ermöglichen – so können Markenartikler der schnell wachsenden Nachfrage nach pflanzenbasiertem Fleisch gerecht werden. Die Partner von Plant & Bean, welche aus dem Fleischlos-Gschäftsbereich von Brecks Foods hervorgegangen sind, bestehen aus Griffith Foods, Gushen als spezialisierter Hersteller von hochwertigen gentechnikfreien Sojaproteinen, die weltweit anerkannten Forschungsinstitute von Wageningen University & Research aus den Niederlanden sowie das auf Nahrungsmittel und Nachhaltigkeit ausgerichtete Singapore Institute of Technology.
“Derzeit essen 65 Prozent der Verbraucher aufgrund des Preises und der Qualität kein pflanzenbasiertes Fleisch. Mit unserer Doppelstrategie sind wir unserer Meinung nach in einer idealen Position, um dieses Problem durch bedeutende Veränderungen zu lösen. Mit unserer fortschrittlichen globalen Fertigungsstrategie erhalten Markenartikler endlich die Möglichkeit, ihre Produktsortimente zu skalieren, um den Preis für die Verbraucher zu senken. Mit Blick auf die Produktqualität machen wir bedeutende Fortschritte beim Verbessern von Geschmack, Konsistenz und Aussehen des pflanzenbasierten Fleischs. Wir bringen die klügsten Köpfe der Nahrungsmittelbranche zusammen, um die Art und Weise, wie wir alternatives Fleisch hinsichtlich der Zutaten und des Verfahrens herstellen, neu zu erfinden”, erklärt Edwin Bark, CEO von Plant & Bean
Unter den Kunden von Plant & Bean herrscht Einigkeit darüber, dass Großproduktion eine Grundvoraussetzung für Kostensenkungen bei pflanzenbasierten Fleischprodukten ist. Nur mit günstigeren Produkten ist eine breite Akzeptanz auf dem Mainstream-Markt erreichbar. Indem sie in großem Maßstab lokal produzieren, können die Unternehmen ihre Lieferketten erheblich verkürzen und dadurch Einsparungen realisieren.
Erbsenprotein hat den doppelten Preis von Soja. Aus diesem Grunde arbeitet das Unternehmenan einer computergestützten Zuchttechnologie entwickelt, mit der die Kosten von Erbsen und Bohnen um 50 Prozent senken sollen. Plant & Bean arbeitet außerdem an der Optimierung der Proteinextraktion, damit mehrere Proteinquellen zu deutlich geringeren Kosten genutzt werden können. Zudem will Plant & Bean gemeinsam mit den Partnern die Texturherstellung verbessern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer optimierten Extrusionstechnologie, um die Maschineneffizienz zu steigern, den Energieverbrauch zu senken und die Konsistenz von pflanzenbasiertem Fleisch zu verbessern.
Geräucherter Lachs gedruckt
Pflanzenbasierter Räucherlachs wird vom Wiener Unternehmen Revo Foods produziert und in Supermärkten angeboten. Hier landen Erbsenproteine, Algenextrakte, Pflanzenöle und Zitrusfasern im 3D-Drucker um den Lachs zu produzieren der, wie das Unternehmen es nennt, Meeresfrüchte mit Attitüde hervorbringt.
Revo bietet Meeresfrüchte aus Pflanzen, die besser für Gesundheit und Umwelt sind. „Mit unseren Produkten können Sie jetzt die köstlichen Leckereien des Ozeans genießen, ohne sich Gedanken über Überfischung oder giftige Schwermetalle zu machen“, so das Unternehmen.
Die Dinge auf eine neue Art und Weise angehen und dabei darauf achten, dass keine Überfischung, keine Zerstörung der Ozeane, keine giftigen Abfallstoffe (Quecksilber, PCBs) in den Meeresfrüchten landen. Ein radikaler Wandel des Lebensmittelsystems wäre notwendig, um einen lebenswerten Planeten für zukünftige Generationen zu erhalten, erklärt Revo.
„Die Textur von Lebensmitteln ist super wichtig. Wir haben eine neue Technologie entwickelt, die auf dem 3D-Druck von Lebensmitteln basiert und die Textur und das Aussehen von Meeresfrüchten präzise nachbildet. Im 3D-Druckverfahren werden natürliche und gesunde Zutaten wie Erbsenproteine, Algenextrakte und Ballaststoffe für einen hervorragenden Nährwert und Geschmack kombiniert. Dadurch erhalten unsere Produkte ein so realistisches Aussehen, dass man kaum einen Unterschied feststellen kann. Unser Prozess wurde optimiert, um Lebensmittelabfälle im Produktionsprozess zu vermeiden und mehr von diesen gesunden Vitaminen und Omega-3-Ölen zu erhalten“, so Revo.
Der nächste Schritt gilt der Erweiterung des Unternehmens mit einer automatischen Produktionslinie.
Schokolade
Chocolate3 hat eigens einen 3D-Schokoladendrucker entwickelt. Damit lassen sich Logos, Schriftzüge, Piktogramme und Symbole drucken. Das Unternehmen aus Ismaning in Bayern verziert hiermit alle Arten von Backwerk und kreiert somit personalisierte Süßigkeiten.
Belgische Schokolade
Mona Lisa, die globale Dekorationsmarke der Barry Callebaut Gruppe, ist die erste Marke, die personalisierte 3D-gedruckte Schokolade aus belgischer Schokolade im großen Maßstab auf den Markt bringt. Dieser Schritt revolutioniert die Welt des Schokoladenhandwerks durch die Kombination von branchenführender Produktionstechnologie, massgeschneidertem Design und der Schokoladenexpertise von Barry Callebaut - und ermöglicht es Köchen, ihre eigenen einzigartigen Kreationen herzustellen und diese schnell und kostengünstig zu reproduzieren, egal wie kompliziert oder speziell das Design ist.
Pasta und Co.
Indukern und Natural Machines aus Barcelona entwickeln gemeinsam Zutaten und Produkte für Pasta und andere Lebensmittel welche mit dem Foodini-Lebensmitteldrucker produziert werden können. Foodini arbeitet mit wieder verwendbaren Lebensmittelkapseln, die der Anwender mit Zutaten seiner Wahl füllen kann.
"Der Lebensmitteldruck ist eine Wette auf die Zukunft. Wir haben Produkte entwickelt, die mit einer maßgeschneiderten Nährstoffzusammensetzung und mit einem möglichst angenehmen Aussehen, Textur, Aroma und Kaugefühl bedruckt werden können. Mit unserer Allianz mit Natural Machines machen wir einen weiteren Schritt nach vorne in diesem Bereich", erklärt Albert Adroer, Direktor der Indukern Food Division.
Emilio Sepúlveda, CEO von Natural Machines, hebt seinerseits hervor, dass "wir die bestehenden Synergien zwischen beiden Unternehmen genutzt haben, um ein gewinnbringendes Projekt zu schaffen, das uns hilft, weiter zu wachsen und uns als Benchmark im 3D-Lebensmitteldruck weiter zu positionieren".
Die Zusammenarbeit zwischen Indukern und Natural Machines bietet eine Auswahl an Produkten, die für den 3D-Lebensmitteldruck mit Foodini optimiert sind. Beide Unternehmen verkaufen nicht die Rezeptur selbst, sondern das eigentliche Produkt, das mit ein paar anderen, einfach zu beschaffenden Zutaten wie Öl und Wasser kombiniert wird.
Fazit
Der Druck von Nahrungsmitteln aus Pflanzen ist nicht nur nachhaltig, er bietet auch Alternativen, welche für die Zukunft und den Klimawandel von immenser Bedeutung sind.
Wir haben hier nur einige der Unternehmen und Start-ups vorgestellt. Eine Vielzahl weiterer Firmen forscht am 3D-Druck von Nahrungsmitteln wobei auch neben der Anreicherung der für die Ernährung erforderlichen Vitamine und Mineralstoffe natürlich auch bestimmte Eigenschaften verbessert werden können. Ob dieses sinnvoll oder auch wünschenswert ist, bleibt dem Verbraucher vorbehalten. Es könnten aber auch weitere positive Auswirkungen wie beispielsweise die Vermeidung von Allergenen mittels der Inhaltsstoffe, abgestimmt auf einzelne Verbrauchergruppen oder auch den Einzelnen, personalisiert, vorgenommen werden.
Übrigens mit Zukunftsmusik hat der 3D-Druck von Nahrungsmitteln wenig zu tun. Die NASA forscht bereits seit 2006 an diesem Thema.

 


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